
Kapitel 1: Die Spurensuche beginnt Seiten 1-3
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Kapitel 1: Die Spurensuche beginnt
Der Geruch nach Feuerholz und angebratenem Fleisch hing noch in der Luft, als ich mich vom Lager entfernte. Meine Freunde hatten gerade den Grill eingeheizt und Dosenbier verteilt, während ich – Harry Gold, nicht unbedingt für Geduld bekannt – unruhig durch den Wald streifte. Es war einer dieser Abende, an denen die Schatten länger wirkten als sonst, das Licht sanfter durch das Laub fiel, als wollte es Geschichten aus alten Zeiten erzählen.
Ich schlenderte tiefer ins Unterholz, zog an meinem Vaporizer und sog die würzigen Terpene meines medizinischen Cannabis in die Lunge. Während der Dampf meine Gedanken leicht werden ließ, trat ich plötzlich gegen etwas Hartes im Moos. Ein dumpfer Widerhall vibrierte durch den Boden.
Verwundert bückte ich mich. Zwischen Wurzeln und feuchtem Laub schimmerte etwas Rundes, wie Metall – aber es war organisch. Glatt. Dunkelbraun. Ein riesiger Samen, etwa so groß wie ein Medizinball, lag halb vergraben in der Erde, von dünnen Ranken umschlungen. Er sah aus wie eine überdimensionale Hanfsamenkapsel, aber mit fein eingravierten Mustern, die in fremden Symbolen leuchteten, sobald ich ihn berührte.
Ein leises Summen setzte ein. Ich wich erschrocken zurück – doch der Samen öffnete sich langsam. Nicht mit einem Knall, sondern mit einem majestätischen, beinahe ehrfürchtigen Knacken. Ein helles Licht brach hervor.
Plötzlich wurde mir schwindelig. Alles drehte sich. Die Geräusche des Waldes erstickten in einem donnernden Tosen. Und dann: Stille.
Ich kam auf hartem Boden zu mir. Keine Grills, keine Freunde. Nur Staub, Hitze – und das entfernte Echo von Stimmen.
Der Himmel war weit, wolkenlos. Ich befand mich am Rande eines flachen Tals, umgeben von kargen Hügeln. In der Ferne zogen Nomaden durch das Grasland. Ihre Kleidung war grob gewebt, ihre Gesichter vom Wind gegerbt. Ich konnte es nicht erklären, aber irgendetwas sagte mir: Ich war in der Vergangenheit gelandet.
(Zentralasien. Vor über 10.000 Jahren.)
Und dann sah ich sie: Eine kleine Gruppe, die sich um ein Lagerfeuer scharte. In der Mitte stand eine Frau, kräftig gebaut, mit einem Stirnband aus Hanffasern. In ihren Händen hielt sie eine hölzerne Schale, aus der Rauch aufstieg. Ich schlich näher, versteckte mich hinter einem Felsen.
Sie sprachen eine Sprache, die ich nicht verstand – und doch fühlte ich sie. Es war ein Ritual. Der Rauch, der aus der Schale aufstieg, kam von einem Bündel getrockneter Pflanzen. Und dieser Geruch – ich kannte ihn.
Cannabis.
Ich kauerte hinter einem Felsen und beobachtete das uralte Ritual. Die Frau, offenbar eine Schamanin, wiegte sich im Rhythmus der Trommeln. Ihre Augen waren geschlossen, während sie den Rauch mit einer Art geflochtenem Fächer über die Umstehenden leitete. Die Menschen streckten die Hände aus, als wollten sie den Dampf greifen, ihn aufsaugen, ihn spüren.
Ein alter Mann trat hervor – seine Haltung würdevoll, die Bewegungen bedacht. Die Schamanin reichte ihm das Räucherbündel. Er hielt es an sein Gesicht, atmete tief ein… und seine Züge entspannten sich. Was ich sah, war nicht nur ein medizinischer oder spiritueller Akt – es war eine Verbindung zwischen Pflanze und Mensch, uralt und voller Bedeutung.
Ein junger Bursche hockte daneben, mit einem rauen Stück Stoff in den Händen – beim zweiten Hinsehen erkannte ich es als ein grob gewebtes Tuch aus Hanffasern. Neben ihm lagen Seile, Körbe, ja sogar primitive Sandalen – alles aus Hanf gefertigt.
Ich war nicht nur in der Frühzeit der Menschheit gelandet, sondern am Ursprung der Hanfnutzung selbst. Dieser Ort – irgendwo im östlichen Altai-Gebirge oder vielleicht westlich der Taklamakan-Wüste – war einer der ersten Hotspots menschlicher Kulturgeschichte. Und Hanf? Er war nicht Beiwerk, er war Fundament.